Hilfsmittel-Richtlinie: Einheitliche Regeln für die Versorgung mit Hilfsmitteln

Hilfsmittel-Richtlinie: Einheitliche Regeln für die Versorgung mit Hilfsmitteln
Hilfsmittel-Richtlinie: Einheitliche Regeln für die Versorgung mit Hilfsmitteln

Hilfsmittel-Richtlinie – Auf einen Blick

  • Was ist die Hilfsmittel-Richtlinie? Die Hilfsmittel-Richtlinie (HilfsM-RL) ist eine verbindliche Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses und regelt die Verordnung von Hilfsmitteln durch Vertragsärzte und Krankenhäuser.
  • Wer erstellt die Richtlinie? Verantwortlich ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als höchstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen.
  • Was sind die Inhalte? Die Richtlinie legt die Grundsätze, Voraussetzungen und Verfahren der Hilfsmittelverordnung fest und verweist auf das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V.
  • Für wen gilt die Richtlinie? Sie ist verbindlich für Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen, Versicherte und alle weiteren Leistungserbringer, die an der Hilfsmittelversorgung beteiligt sind.
  • Warum ist sie wichtig? Die Hilfsmittel-Richtlinie stellt sicher, dass Versicherte eine zweckmäßige, wirtschaftliche und bedarfsgerechte Versorgung erhalten – zunehmend auch unterstützt durch die Telematikinfrastruktur (TI) mit der elektronischen Verordnung (eVerordnung).

Definition: Was ist die Hilfsmittel-Richtlinie (HilfsM-RL)?

Die Hilfsmittel-Richtlinie (HilfsM-RL) ist eine verbindliche Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nach § 92 SGB V. Sie regelt, unter welchen Voraussetzungen Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie Krankenhäuser Hilfsmittel verordnen dürfen.

Im Kern legt die Richtlinie die Grundsätze, Anforderungen und Abläufe der Hilfsmittelversorgung fest. Dazu gehören sowohl allgemeine Vorgaben als auch spezielle Bestimmungen für bestimmte Bereiche, etwa für Seh- und Hörhilfen.

Ergänzend dient die HilfsM-RL auch als Orientierung für Gutachter der Medizinischen Dienste und Pflegekräfte, die Hilfsmittel im Rahmen ihrer Tätigkeit empfehlen können.

Die Regelungen gelten verbindlich für alle Beteiligten: Versicherte, Krankenkassen, Leistungserbringer sowie ärztlich geleitete Einrichtungen. Entscheidend ist dabei, dass die Versorgung stets nach den Kriterien medizinischer Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, individueller Passung und Wirtschaftlichkeit erfolgt.

Mit der Anbindung an die Telematikinfrastruktur gewinnt die Hilfsmittel-Richtlinie zusätzlich an Bedeutung: Über digitale Anwendungen wie die elektronische Verordnung (eVerordnung) oder das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) können Prozesse sicherer, transparenter und effizienter gestaltet werden.

Was sind Hilfsmittel?

Hilfsmittel sind medizinisch notwendige Gegenstände, die Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen dabei unterstützen, ihren Alltag selbstständiger und mit weniger Einschränkungen zu bewältigen. Typische Beispiele sind Rollstühle, Rollatoren, Prothesen, Hörgeräte, Brillen oder Kompressionsstrümpfe. Darüber hinaus können auch individuell verordnete Produkte dazugehören, wenn sie ärztlich angeordnet sind und der medizinischen Versorgung dienen.

Das Hilfsmittelverzeichnis nach SGB V

Das Hilfsmittelverzeichnis wird gemäß § 139 SGB V vom GKV-Spitzenverband erstellt und mit regelmäßigen Änderungen aktualisiert. Es dient als systematisch strukturiertes Nachschlagewerk, in dem die von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen Hilfsmittel aufgeführt sind.

Der Aufbau der Hilfsmittel-Richtlinie

Die Hilfsmittel-Richtlinie (HilfsM-RL) ist klar gegliedert und umfasst drei Hauptabschnitte, die unterschiedliche Versorgungsbereiche regeln. Damit schafft sie für Ärzte, Krankenkassen und Hilfsmittelerbringer eine einheitliche Rechts- und Handlungsgrundlage.

Abschnitt A – Allgemeines

Dieser Teil enthält die grundlegenden Bestimmungen zur Hilfsmittelversorgung. Dazu gehören:

  • Ziel und Begriffsbestimmungen der Richtlinie (§§ 1–2),
  • der Versorgungsanspruch der Versicherten (§ 3),
  • Hinweise zum Hilfsmittelverzeichnis (§ 4),
  • Maßgaben der Krankenkassen (§ 5),
  • sowie allgemeine Versorgungsgrundsätze (§ 6).

Abschnitt B – Sehhilfen

Dieser Abschnitt regelt detailliert, welche Sehhilfen verordnet werden können und unter welchen Voraussetzungen. Dazu gehören Brillengläser, Kontaktlinsen sowie vergrößernde oder therapeutische Sehhilfen (§§ 12–17). Ziel ist es, die Sehschärfe zu verbessern oder bei schweren Erkrankungen eine therapeutische Wirkung zu erzielen.

Abschnitt C – Hörhilfen

Hier geht es um die Versorgung mit Hörgeräten und ergänzenden Hilfen bei Funktionsstörungen des Ohres (§§ 18–31). Behandelt werden unter anderem:

  • die beidohrige und einohrige Hörgeräteversorgung,
  • spezielle Hörhilfen wie Knochenleitungsgeräte oder Tinnitusgeräte
  • sowie die Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen.

Verordnung von Hilfsmitteln durch Vertragsärzte

Die ärztliche Verordnung von Hilfsmitteln erfolgt nach den Vorgaben des § 33 SGB V und der Hilfsmittel-Richtlinie. Grundsätzlich ist sie nur in bestimmten Fällen notwendig, beispielsweise wenn ein Hilfsmittel nicht durch eine Empfehlung des Medizinischen Dienstes oder von Pflegekräften abgedeckt ist. In diesen Fällen ersetzt die Empfehlung die ärztliche Verordnung, und Krankenkassen dürfen keine zusätzliche ärztliche Bescheinigung verlangen.

Typische Produktgruppen, die auch ohne ärztliche Verordnung über eine Empfehlung verordnet werden können, sind unter anderem Gehhilfen (z.B. Rollatoren), Inkontinenzhilfen, Lagerungshilfen, Stomaartikel oder zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel wie Desinfektionsmittel oder Einmalhandschuhe.

Die Kernaufgabe der Vertragsärzte besteht darin, den individuellen Bedarf eines Patienten nach medizinischen, funktionellen und alltagsrelevanten Kriterien zu beurteilen. Die Entscheidung für ein Hilfsmittel ergibt sich nicht allein aus der Diagnose, sondern aus einer Gesamtbetrachtung:

  • Welche funktionellen Einschränkungen bestehen?
  • Welche Fähigkeiten sind noch vorhanden?
  • Welches Versorgungsziel ist realistisch erreichbar?
  • Welche Kontextfaktoren (z.B. Wohnumfeld, Pflegegrad) beeinflussen die Versorgung?

Nur wenn diese Aspekte dokumentiert sind, kann die Krankenkasse die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Versorgung prüfen.

Inhalt, Form und Digitalisierung der Verordnung

Die Verordnung erfolgt auf einem standardisierten Formular. Dabei sind nach § 7 HilfsM-RL folgende Angaben zwingend erforderlich:

  • Bezeichnung des Hilfsmittels nach Hilfsmittelverzeichnis (ggf. mit Positionsnummer).
  • Besondere Hinweise zur Anpassung oder Anfertigung (z.B. Material, Abmessungen).
  • Die Anzahl sowie ergänzende Informationen zu individuellen Bedarfen.

Wichtig: Die Verordnung muss innerhalb von 28 Tagen bei der Krankenkasse eingereicht werden, sonst verliert sie ihre Gültigkeit. Nach der Versorgung prüfen die Vertragsärzte, ob das Hilfsmittel in der individuellen Situation zweckmäßig eingesetzt werden kann.

Dank Telematikinfrastruktur wird die Verordnung zunehmend digitalisiert. Über die elektronische Verordnung (eVerordnung) können alle erforderlichen Angaben zukünftig direkt erfasst, mit dem Hilfsmittelverzeichnis abgeglichen und an die Krankenkassen übermittelt werden. Das erhöht die Transparenz, beschleunigt Genehmigungsprozesse und reduziert Rückfragen.

Für Leistungserbringer im Gesundheitswesen bedeutet das spürbar weniger Bürokratie und eine bessere Nachvollziehbarkeit im Versorgungsprozess.

Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln

Versicherte haben einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Hilfsmittel, wenn diese im Einzelfall medizinisch notwendig sind. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten insbesondere dann, wenn das Hilfsmittel dazu dient,

  • den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern,
  • einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
  • eine bestehende Behinderung beim Ausgleich von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (z.B. Mobilität, Kommunikation) zu kompensieren,
  • eine gesundheitliche Schwächung zu beseitigen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Krankheit führen würde,
  • die gesunde Entwicklung von Kindern zu sichern,
  • Krankheiten vorzubeugen oder deren Verschlimmerung zu vermeiden
  • oder eine drohende Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern oder zu verhindern.

Häufige Fragen und Antworten

Welches Gesetz regelt den Umgang mit Hilfsmitteln?

Die rechtliche Grundlage für die Versorgung mit Hilfsmitteln ist § 33 SGB V in Verbindung mit der Hilfsmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Darin wird festgelegt, wann und wie Hilfsmittel verordnet werden können. Ergänzend gelten die Regelungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V.

Welche Angaben müssen auf einer Hilfsmittelverordnung stehen?

Eine Hilfsmittelverordnung muss so eindeutig wie möglich sein. Sie enthält:

  • die genaue Bezeichnung des Hilfsmittels oder die Positionsnummer aus dem Hilfsmittelverzeichnis,
  • die Diagnose sowie das angestrebte Versorgungsziel,
  • Angaben zu Art, Anzahl, Material oder Abmessungen, wenn dies für die Versorgung wichtig ist
  • und gegebenenfalls zusätzliche Hinweise zu besonderen Bedarfen.

Welche Hilfsmittel sind verordnungsfähig?

Grundsätzlich sind alle medizinisch notwendigen Hilfsmittel verordnungsfähig, sofern sie nicht ausdrücklich durch das Gesetz ausgeschlossen sind. Dazu gehören unter anderem:

  • Sehhilfen (z.B. Brillen, Kontaktlinsen, Lupen)
  • Hörhilfen (z.B. Hörgeräte)
  • Mobilitätshilfen (z.B. Rollstühle, Rollatoren)
  • Körperersatzstücke (z.B. Prothesen)
  • Inkontinenz- oder Pflegehilfsmittel