ATL Pflege: Aktivitäten des täglichen Lebens in der Pflege

ATL Pflege: Aktivitäten des täglichen Lebens in der Pflege
ATL Pflege: Aktivitäten des täglichen Lebens in der Pflege

ATL – Auf einen Blick

  • Definition: Die Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) sind ein pflegerisches Strukturmodell, das grundlegende körperliche, psychische und soziale Grundbedürfnisse systematisch erfasst und dokumentiert.
  • Pflegeziel: ATL fördern die Selbstständigkeit von Patienten und ermöglichen eine bedarfsgerechte, individuelle Pflegeplanung.
  • Herkunft: Das Modell wurde von Liliane Juchli entwickelt, basiert auf dem Roper-Logan-Tierney-Modell und ist von Virginia Hendersons 14 Grundbedürfnissen inspiriert.
  • Anwendung: ATL findet vor allem Anwendung in der Pflegeausbildung, der Altenpflege, der Rehabilitation und im geriatrischen Assessment. In der praktischen Dokumentation arbeiten viele Pflegeeinrichtungen heute jedoch überwiegend mit dem Strukturmodell (SIS).
  • Struktur: Die 12 ATL-Bereiche reichen von Mobilität über Körperpflege bis hin zu Kommunikation, Sinnfragen und sozialer Teilhabe.

Definition: Was ist ATL in der Pflege?

ATL steht für „Aktivitäten des täglichen Lebens“ – ein pflegewissenschaftliches Modell, das aufzeigt, welche Grundbedürfnisse Menschen regelmäßig erfüllen müssen, um selbstständig, sicher und gesund zu leben. Dazu zählen etwa Körperpflege, Ernährung, Bewegung oder soziale Teilhabe.

Im Pflegekontext dienen die ATL dazu, Ressourcen und Einschränkungen systematisch zu erfassen, aber auch Pflegeprobleme frühzeitig zu identifizieren und gezielt darauf zu reagieren. Pflegekräfte erkennen so, wo Unterstützung notwendig ist und wo die Selbstständigkeit gefördert werden kann.

Die ATL sind damit zum einen ein fachlicher Orientierungsrahmen und gelten zum anderen als pflegewissenschaftliche Grundlage für viele moderne Pflegekonzepte.

In der praktischen Pflegedokumentation wurden sie in vielen Einrichtungen jedoch durch das Strukturmodell mit der strukturierten Informationssammlung (SIS) ersetzt, das stärker auf individuelle Einschätzungen setzt.

Der Hintergrund des Pflegekonzepts

Das Pflegekonzept der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) geht auf die Schweizer Pflegepionierin Liliane Juchli zurück. Sie entwickelte das Modell in den 1980er-Jahren, inspiriert vom Roper-Logan-Tierney-Modell, das bereits 1976 ein pflegewissenschaftliches Raster zur Lebensbewältigung definierte. Beide Konzepte wurzeln in der Bedürfnistheorie von Abraham Maslow und stehen in der Tradition von Virginia Hendersons 14 Grundbedürfnissen.

Spätere Pflegemodelle wie AEDL (Aktivitäten und existenzielle Erfahrungen des Lebens) und ABEDL (inkl. sozialer Beziehungen) nach Monika Krohwinkel bauen auf diesen Grundlagen auf, gehen jedoch in ihrer Systematik und Tiefe über die klassischen ATL hinaus.

Die ATL selbst basieren auf einem älteren Konzept aus den USA: Bereits 1963 stellte ein Forscherteam den ersten standardisierten ADL-Index („Activities of Daily Living“) vor, ein Instrument, das bis heute in geriatrischen Assessments Anwendung findet, z.B. zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit oder Krankheitsverläufe.

Dabei wird zwischen zwei Kategorien unterschieden:

  • Basic ADL (BADL): Grundlegende Aktivitäten wie Körperpflege, Essen, Ankleiden oder Toilettengang – also Handlungen zur unmittelbaren Selbstversorgung.
  • Instrumentelle ADL (IADL): Komplexere Alltagsfähigkeiten wie Einkaufen, Haushaltsführung oder der Umgang mit Technik, die stärker von Umwelt, Kultur und geistiger Verfassung abhängen.

Gerade im Frühstadium einer Erkrankung zeigen sich häufig erste Einschränkungen in den IADL, etwa bei der Essenszubereitung oder dem Telefonieren. Diese frühen Hinweise auf kognitive Veränderungen sind in der Pflegeplanung ebenso relevant wie der schrittweise Verlust von BADL.

Dank digitaler Pflegedokumentation lassen sich solche Veränderungen heute einfach erfassen und auswerten.

Die 12 Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) im Überblick

Das ATL-Modell beschreibt zwölf grundlegende Lebensaktivitäten, die in der professionellen Pflege beobachtet, unterstützt und dokumentiert werden.

  1. Ruhen und schlafen: Beobachtung des Schlafverhaltens, Unterstützung bei der Lagerung, Maßnahmen zur Schlafhygiene und zur Vermeidung von Schlafstörungen.
  2. Sich bewegen: Förderung der Mobilität, Durchführung von Bewegungsübungen, Prophylaxe gegen Thrombose, Kontrakturen und Dekubitus.
  3. Sich waschen und kleiden: Unterstützung bei der Pflege des Körpers, Beobachtung der Haut, Hilfestellung beim An- und Auskleiden sowie bei der Wahl der Kleidung.
  4. Essen und trinken: Beobachtung der Nahrungsaufnahme, Unterstützung beim Essen, Kontrolle des Gewichts und ggf. Anwendung technischer Hilfsmittel wie PEG-Sonden.
  5. Ausscheiden: Unterstützung bei der Blasen- und Darmentleerung, Inkontinenzversorgung, Beobachtung und Dokumentation der Ausscheidungen.
  6. Körpertemperatur regulieren: Erkennen und Pflegen bei Unterkühlung oder Fieber, Maßnahmen zur Temperaturkontrolle und Wärmeerhalt.
  7. Atmen: Beobachtung der Atmung, Durchführung von Inhalationen, Kontaktatmung oder Anleitung zu Atemübungen.
  8. Für Sicherheit sorgen: Vermeidung von Stürzen, korrekter Umgang mit Medikamenten und hygienisches Arbeiten zur Infektionsvermeidung.
  9. Raum und Zeit gestalten, arbeiten und spielen: Förderung der Kompetenz im Alltag und der Lebensqualität der Pflegebedürftigen durch ergotherapeutische, kreative oder soziale Aktivitäten.
  10. Kommunizieren: Dialog mit Pflegebedürftigen, Angehörigen und Team – auch mit nonverbalen Mitteln; Dokumentation, Übergaben, Visiten.
  11. Kind, Frau, Mann sein: Achtung der geschlechtlichen Identität und Intimsphäre, unabhängig vom Pflegebedarf.
  12. Sinn finden im Werden, Sein, Vergehen: Unterstützung in Sinnfragen, Begleitung in Krisensituationen, spirituelle oder religiöse Begleitung, Palliativpflege (AAPV oder SAPV).

Individualfaktoren der ATL

Die ATL sind als individuell zu betrachtendes Raster konzipiert. Denn keine dieser zwölf Aktivitäten entfaltet sich losgelöst von der Lebensrealität der jeweiligen Person. Alter, Lebenssituation, Krankheitsbild und kulturelle Prägung beeinflussen, wie ein Mensch eine bestimmte Aktivität erlebt oder priorisiert.

So ist der nächtliche Schlafrhythmus bei einer 90-jährigen Bewohnerin mit Demenz völlig anders zu bewerten als bei einem 20-jährigen Rehabilitanden nach einem Unfall.

Auch das Erleben von „Sinn finden im Werden, Sein, Vergehen“ unterscheidet sich gravierend, etwa bei einem jungen Patienten in der Palliativversorgung im Vergleich zu einem älteren, spirituell orientierten Menschen mit chronischer Erkrankung.

In der heutigen Pflegedokumentation wird dieser individuelle Blick häufig im Rahmen des Strukturmodells mit der strukturierten Informationssammlung (SIS) umgesetzt. Digitale Systeme ermöglichen dabei eine präzise Erfassung und Bewertung individueller Voraussetzungen, sodass Pflegekräfte gezielt priorisieren, dokumentieren und schnell reagieren können.

Häufige Fragen und Antworten

Was ist ATL in der Pflege?

Die Abkürzung ATL steht für „Aktivitäten des täglichen Lebens“ und beschreibt ein pflegerisches Strukturmodell, das auf den Grundbedürfnissen des Menschen basiert. Entwickelt von Liliane Juchli, unterstützt das Konzept Pflegekräfte dabei, die Selbstständigkeit von Patienten gezielt zu fördern. ATL dient als Leitfaden zur Einschätzung, Planung und Evaluation pflegerischer Maßnahmen – besonders in der Krankenpflege, Altenpflege und Rehabilitation.

Was sind die 12 ATL?

Die zwölf Aktivitäten des täglichen Lebens nach Juchli umfassen folgende Bereiche:

  1. Ruhen und schlafen
  2. Sich bewegen
  3. Sich waschen und kleiden
  4. Essen und trinken
  5. Ausscheiden
  6. Körpertemperatur regulieren
  7. Atmen
  8. Für Sicherheit sorgen
  9. Raum und Zeit gestalten, arbeiten und spielen
  10. Kommunizieren
  11. Kind, Frau, Mann sein
  12. Sinn finden im Werden, Sein, Vergehen